Landgericht Köln, 14 O 197/24 vom 22.07.2024
Die Klägerin des Rechtsstreits, ein albanisches Medienunternehmen, hatte Nutzungsrechte an einem Video. Dieses Video wurde auf einer online Plattform YouTube von dem (späteren) Beklagten veröffentlicht. Die Klägerin, die von der Veröffentlichung des Videos auf YouTube Kenntnis erlangte setzte sich mit der Plattform in Verbindung mit der Bitte, das öffentlich zugänglich gemachte Video wegen einer Verletzung von Urheberrechten zu sperren. Dieser Bitte kam die Plattform zunächst nach, woraufhin der spätere Beklagte mit einer sogenannten „Counter Notification“ reagierte, was die Reaktivierung des Videos durch die Plattform zur Folge hatte, sofern nicht binnen 10 Tagen eine gerichtliche Verfügung erwirkt wurde. Hiervon wurde die Klägerin von der Plattform in Kenntnis gesetzt.
Die Klägerin mahnte den Beklagten darauf hin nicht ab. Sie hat stattdessen direkt einen Verfügungsantrag beim Landgericht eingereicht.
Der Beklagte hat den Verfügungsantrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt.
Aufgrund des Anerkenntnisses musste das Landgericht in der Sache nicht mehr entscheiden. Streitig war nur noch die Kostenfrage des Verfahrens.
Das Landgericht hat die Prozesskosten der Klägerin auferlegt, weil der Beklagte sofort anerkannt hat und keine Veranlassung für das einstweilige Verfügungsverfahren gegeben hat.
Wir zitieren aus dem Urteil des Landgerichts:
„Soweit ersichtlich ist die Rechtsfrage, ob ein „M.“ bei B. einer Abmahnung gleich steht oder diese entbehrlich macht, noch nicht entschieden worden. Die Kammer ist der Ansicht, dass ein solcher „M.“ grundsätzlich nicht einer urheberrechtlichen Abmahnung im Sinne von § 97a UrhG gleichsteht und diese auch grundsätzlich nicht entbehrlich macht. Zwar mag dies in gegebenen Einzelfällen möglich sein, jedoch ist der hiesige Einzelfall jedenfalls nicht geeignet, durch den „B.-M.“ die urheberrechtliche Abmahnung obsolet zu machen. Auch die hier unstreitige Counter Notification des Verfügungsbeklagten führt nicht zur Annahme, dass der Verfügungsbeklagte hinreichend Veranlassung zur Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gegen ihn gegeben hat.
Zunächst geht die Kammer davon aus, dass eine Abmahnung vor der Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens wegen Urheberrechtsverletzungen grundsätzlich notwendig ist, um die Kostenfolge des § 93 ZPO abzuwenden. Dies folgt zunächst aus der gesetzgeberischen Wertung des § 97a Abs. 1 UrhG, der sich nicht nur auf Hauptsacheverfahren, sondern auf „gerichtliche Verfahren auf Unterlassung“ bezieht. Zwar handelt es sich dabei um eine „Soll-Vorschrift“ und keine gesetzliche Pflicht. Jedoch ergibt sich auch aus dieser „Soll-Vorschrift“ die vom Gesetzgeber gewünschte Funktion der Abmahnung, ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Davon soll nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Denn weder war vorliegend aus zeitlichen, noch aus sachlichen Gründen, ein Fall gegeben, in dem die Durchführung der Abmahnung zu einem unzumutbaren Nachteil der Verfügungsklägerin führen könnte.
Das System von „M.s“ und „Counter Notifications“ bei B., das den gesetzlichen Anforderungen etwa von § 14 UrhDaG bzw. §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 UrhDaG oder Art. 16 DSA entspricht, hat einen gänzlich anderen Sinn und Zweck als das grundsätzliche Abmahnerfordernis. Deshalb ist die Beschwerdemöglichkeit von Rechteinhabern nach Ansicht der Kammer grundsätzlich nicht gleichwertig oder sogar vorrangig zu einer Abmahnung. Denn die oben genannten Normen betreffen Anforderungen an Plattformen, mit denen sie etwa im Fall des UrhDaG eine eigene urheberrechtliche Haftung für die auf ihren Diensten sich ereignenden Urheberrechtsverletzungen abwenden können. Das System dient sicherlich auch der Unterbindung von Rechtsverletzungen im Interesse der Rechtsinhaber. Jedoch sind die Plattformbetreiber, hier B., kein Ersatz- oder Spezialgericht für Rechtsverletzungen im Internet. Demnach wies B. nach Eingang der Counter Notification des Verfügungsbeklagten zu Recht die Verfügungsklägerin darauf hin, dass sie binnen 10 Tagen gerichtlich gegen die öffentliche Zugänglichmachung vorzugehen hat. Denn die Frage, ob eine Urheberrechtsverletzung vorliegt, bleibt den Gerichten, konkret den spezialisierten Spruchkörpern wie der hiesigen Kammer vorbehalten. Dann wiederum ist eine Abmahnung nach § 97a Abs. 1 UrhG aber der Regelfall. Die von B. gewährten 10 Tage genügen auch ohne Weiteres für eine Abmahnung mit einer angemessenen Frist und danach der Einreichung eines Verfügungsantrags. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der vorliegende Sachverhalt keine maßgeblichen Schwierigkeiten tatsächlicher Art aufweist, vielmehr die Rechtsverletzung maßgeblich durch Vergleich der streitgegenständlichen Videos rechtlich bewertet werden kann.
Das Beschwerdeverfahren von Online-Plattformen steht auch deshalb nicht der Abmahnung gleich, weil die „M.s“ nicht darauf gerichtet sind, dass die Plattformnutzer (hier der Verfügungsbeklagte) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber dem „M.er“ abgeben. Damit wird der Plattformnutzer und vermeintliche Urheberrechtsverletzer aber auch nicht in eine Situation versetzt, in der er ohne weitere rechtliche Hilfe die rechtlich gebotene Handlung zur Abwendung eines gerichtlichen Verfahrens vornehmen kann“.
Im Ergebnis musste die Klägerin alle Prozesskosten übernehmen, obwohl sie in der Sache obsiegt hat.
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine außergerichtliche Abmahnung ist. Ein Kläger trägt ein erhebliches Kostenrisiko, wenn er direkt Klage einreicht, ohne vorher ein außergerichtliches Abmahnungsverfahren durchzuführen und der Beklagte im Prozess den Anspruch sofort anerkennt. Nach der oben genannten Entscheidung des Landgericht besteht dieses Kostenrisiko auch dann, wenn ein außergerichtliches Beschwerdeverfahren auf einer Plattform betrieben wurde.