Ausgelöst wurde der Rechtsstreit durch die eigene Reaktion der Politikerin, der späteren Klägerin, auf Twitter zu einer Äußerung des Kabarettisten Dieter Nuhr.
Die Klägerin hatte Herrn Nuhr mit den Worten „ignorant, dumm und uninformiert“ bezeichnet. Hierauf reagierte ein Facebook-Nutzer, der spätere Beklagte, mit dem streitgegenständlichen Post „Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie C. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen.“
Die nach erfolgloser Abmahnung angestrengte Unterlassungs- und Schmerzensgeldklage von 5.000 € war in erster Instanz (Landgericht Heilbronn) erfolglos. Der Beklagte hat sich u.a. damit verteidigt, er sei nicht der Urheber des Beitrags, jemand müsse sich seines Notebooks bemächtigt haben.
Das OLG Stuttgart gab dem Unterlassungsantrag in der zweiten Instanz statt und verurteilte den User wegen des streitgegenständlichen Kommentars zur Unterlassung. Hinsichtlich des geltend gemachten Geldentschädigungsanspruchs blieb die Klage jedoch auch in der zweiten Instanz ohne Erfolg.
Nach Urteilsbegründung des OLG haftet der Beklagte als Täter bzw. unmittelbarer Störer.
Zum einen hat der Beklagte seinen Rechner und sein Facebook-Nutzerkonto nicht ausreichend vor fremden Zugriffen gesichert und keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen vorgetragen, die eine nach höchstrichterlichen Grundsätzen entwickelte Vermutungswirkung entfallen ließen.
Zudem war der Senat nach den Ausführungen des Beklagten in der Berufungsverhandlung davon überzeugt, dass er den streitgegenständlichen Beitrag selbst verfasst hat, denn er hat ausgeführt, er habe sich mehrfach distanziert, der Beitrag tue ihm leid, diesen aber gleichzeitig damit verteidigt, dass es erlaubt sein müsse, auf die Klägerin als Politikerin zu reagieren, um diese angesichts ihres eigenen Verhaltens (das näher beschrieben wurde) „fertig zu machen“. Diese Verteidigung des eigenen Verhaltens belegt, dass der Beklagte als Urheber anzusehen ist.
Nach Auffassung des Senats ist die streitgegenständliche Bezeichnung der Klägerin als „dämliches Stück Hirn-Vakuum“ als unzulässige Schmähkritik anzusehen.
Konkret führte der Senat hierzu aus:
„Mit der Aussage auf dem Fxxxkonto des Beklagten wird die Klägerin durch die Verwendung der Begriffe „dämlich“ und „Hirn-Vakuum“ als dumme und hirnlose Politikerin charakterisiert, die aus der Politik verschwinden soll („abtauchen“). Es handelt sich um eine Äußerung, die auch durch die zusätzliche Verwendung des Begriffs „Stück“ (konkret dämliches Stück Hirn-Vakuum) eine die Klägerin abwertende und diffamierende Komponente enthält, weil ein Mensch (oder dessen Teile) nicht als Stück bezeichnet wird, da ihm damit jede persönliche Würde abgesprochen wird (Art. 1 GG). Bei einem Stück handelt es sich um die bestimmte Menge eines Stoffes, Materials oder einer Substanz, die ein in sich begrenztes Ganzes bildet (und eine handelsübliche Form, Abmessung hat). Der Mensch (und dessen Gehirn) als Lebewesen sind aber keine abstrakte Materie, weshalb die die Klägerin mit der Äußerung auch entmenschlicht wird (…). Die Bezeichnung als dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik bedeutet insoweit die Charakterisierung der Klägerin als hirnlose Politikerin, dass die Klägerin nichts im Kopf hat“.
Zudem ordnete das OLG die weitere streitgegenständliche Äußerung „Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen“ als ein unzulässiges Werturteil ein.
Konkret führte der Senat hierzu aus:
„Die Aussage enthält eine Herabsetzung von Immigranten, bei denen eine Pflicht zur Begleichung ihrer Schulden bestehen soll. Mit der Aussage, dass die Klägerin abtauchen soll, wird dieser angesonnen, zu verschwinden oder abzuhauen und den Mund zu halten. Sie wird darüber hinaus noch für Schulden ihrer Familie verantwortlich gemacht. Auch insoweit fehlt jeglicher Bezug zu der Diskussion um den Fehler des Kabarettisten Dxxx Nxxx, weshalb auch diese Aussage nur dazu dient, die Klägerin verächtlich zu machen (…). Jedenfalls die Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Grundrecht des Beklagten auf Meinungsäußerungsfreiheit führt zu einem Überwiegen des Persönlichkeitsrechts, denn der Klägerin wird mit der Aussage – ohne jeden Bezug zum geführten Diskurs zwischen ihr und Rxxx – die Berechtigung abgesprochen, sich zu äußern, dies mit der unsinnigen und offenkundig sachfremden Erwägung, dass sie Schulden ihrer Familie zu begleichen hätte“.
Hingegen verneinte das OLG die geltend gemachte Geldentschädigung.
Nach Auffassung des OLG ist zwar mit den getätigten Aussagen von einer relativ schwerwiegenden Beeinträchtigung auszugehen, weil die Beschimpfung als dämliche, hirnlose Politikerin, die verschwinden soll, eine erhebliche Beeinträchtigung des sozialen Achtungsanspruchs bewirkt. Auf der anderen Seite hat die Klägerin jedoch selbst starke Worte benutzt und den Diskurs damit erst veranlasst.
Stichworte: Äußerungsrecht, Presserecht, Schmähkritik, Herabsetzung, Facebook, Unterlassung,