Ab Juni 2025 werden Onlineshop-Betreiber zur Barrierefreiheit ihrer Shops verpflichtet.
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das 2021 erlassen wurde, schreibt in Umsetzung der EU-Richtlinie (EU) 2019/882 über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen künftig die barrierefreie Ausgestaltung von Onlineshops vor. Danach soll es Menschen mit Behinderung ermöglicht werden, Onlineshop ohne Erschwernis zu nutzen. Daraus ergeben sich neue Pflichten für die Shopbetreiber, die wir Ihnen in diesem Whitepaper in den Grundzügen vorstellen möchten.
Das neue BFSG gilt grundsätzlich für Produkte, die ab dem 29.06.2025 in Verkehr gebracht werden und für Dienstleistungen, die ab dem 29.06.2025 erbracht werden. Auch gibt es Übergangsbestimmungen die in § 38 des BFSG geregelt sind.
Wen treffen die neuen Verpflichtungen?
Grundsätzlich sind Betreiber von Onlineshops verpflichtet, die sich an Verbraucher richten (B2C).
Dies gilt nicht nur für den Warenverkauf, sondern auch für Dienstleistungen, die im elektronischen Geschäftsverkehr erbracht werden. Das bedeutet nach der gesetzlichen Definition, dass es „Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden“ handelt.
B2C-Shopbetreiber müssen sich daher alle auf die Neuerungen ab Juni 2025 einstellen.
Grundsätzlich richtet sich die Verpflichtung nicht an B2B-Shops, wenn diese auch in eindeutiger Weise als solche Handeln (die Beurteilung dürfte sich auf die Ausgestaltung sowie die Möglichkeit des Vertragsschlusses nur durch Unternehmer erstrecken).
Auch reine Informationswebseiten ohne Möglichkeit des Vertragsschlusses sind nicht von den Neuerungen betroffen.
Ausnahmen
Es gibt natürlich auch Ausnahmen von den Barrierefreiheitsanforderungen – diese sind in § 1 Abs. 5 BFSG geregelt. Es handelt sich beispielsweise um Büroanwendungen oder Karten, daher betreffen diese Themen in den meisten Fällen nicht die Betreiber von Onlineshops.
Vorsicht ist bei Drittanwendungen oder Werbung geboten, da diese vom Shopbetreiber zu kontrollieren ist. Hier gelten die Ausnahmen nicht.
Befreiung
Gemäß § 3 Abs. 3 BFSG gilt die Pflicht nicht für Kleinstunternehmen, die Dienstleistungen anbieten oder erbringen. „Kleinstunternehmen” ist ein Unternehmen, das weniger als zehn Personen beschäftigt und das entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielt oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft (§ 2 Nr. 17 BFSG)
Unter sehr strengen Voraussetzungen (§17 BFSG) ist eine weitere Befreiung möglich, wenn die Einhaltung der Vorschriften zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen würde. Das soll dann der Fall sein, wenn die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen eine zusätzliche übermäßige organisatorische oder finanzielle Belastung für den Shop-Betreiber darstellt. Die Voraussetzungen sind jeweils für den Einzelfall zu prüfen. Hierbei werden u.a. Nettokosten für die Einhaltung der Barrierefreiheitsanforderungen zu den Gesamtkosten ins Verhältnis gebracht und zu einer Beurteilung zusammengefasst. Diese muss schriftlich dokumentiert, aufbewahrt und alle 5 Jahre wiederholt werden. Zudem muss der betroffene Shopbetreiber auch die zuständigen Marktüberwachungsbehörden informieren. Mit einem Begehren auf Befreiung sind daher auch einige Pflichten verbunden.
Technische Vorgaben
Ab dem 29.06.2025 muss also der verpflichtete Shop barrierefrei gestaltet werden, wobei hier einige technische Anforderungen zu erfüllen sind. Schließlich soll die Webseite von Menschen mit Behinderung problemlos bedienbar sein, so dass hier keine konkrete Behinderung in Frage steht, sondern vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Behinderungen.
Allgemein gesagt müssen Online-Shops auf angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und leistungsstabil sein. Die einzelnen Anforderungen finden sich in der Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – BFSGV.
Die Verordnung BFSGV schreibt vor, dass Shops für Menschen mit Behinderung im größtmöglichen Umfang nutzbar sein sollen und daher Funktionen, Vorgehensweisen, Strategien und Verfahren sowie Änderungen bei der Ausführung vorsehen müssen, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichtet sind und die Interoperabilität mit assistiven Technologien gewährleisten.
Zusätzlich schreibt die Verordnung auch vor, dass sichergestellt sein muss, dass mindestens eine nicht manuelle Bedienungsform vorhanden ist, welche keine feinmotorische Steuerung und Bedienung, Handmuskelkraft oder gleichzeitige Bedienung von mehr als einem Bedienelement erfordern (ein Erfordernis für Dienstleistungen, die manuell bedient werden, wie eben eine Webseite). Es muss aber auch mindestens einer Bedienform vorgehalten werden, die die Nutzung bei kognitiven Einschränkungen erleichtert und vereinfacht.
Grob gesagt muss der barrierefreie Onlineshop ohne visuelle Eindrücke genauso gut nutzbar sein wie mit visuellen Eindrücken. Er muss außerdem ausschließlich mit der Tastatur genauso zu bedienen sein wie mit Maus und Tastatur.
Im Einzelnen treffen Shopbetreiber Informationspflichten zur Barrierefreiheit der von ihnen angebotenen Produkte oder Dienstleistungen (soweit diese Informationen vom verantwortlichen Wirtschaftsakteur – meistens die Hersteller des Produkts oder Erbringer der Dienstleistung – zur Verfügung gestellt werden).
Außerdem müssen sie Identifizierungs-, Authentifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestalten.
Auch Identifizierungsmethoden, Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsdienste müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden.
Informationen die erteilt werden, wie z.B. die oben genannten Informationen zur Barrierefreiheit müssen ebenfalls barrierefrei gestaltet werden. Im Einzelnen bedeutet das, dass:
- die Informationen über mehr als einen sensorischen Kanal bereitgestellt werden (z.B. durch eine zusätzliche Vorlesefunktion)
- die Informationen für den Verbraucher auffindbar sind
- die Informationen in verständlicher und wahrnehmbarer Weise dargestellt werden (einfache Formulierung, kurze Sätze, keine zu kleine Schrift etc.)
- der Informationsinhalt in Textformaten zur Verfügung gestellt wird, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate durch den Verbraucher eignen, die auf unterschiedliche Art dargestellt und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können (hier wäre vorstellbar, dass der Text kopierbar ist)
- sie in einer Schriftart mit angemessener Größe und mit geeigneter Form unter Berücksichtigung des vorhersehbaren Nutzungskontexts und mit ausreichendem Kontrast sowie ausreichenden Abständen zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt werden
- eine alternative Darstellung des Inhalts angeboten wird, wenn Elemente nicht-textlichen Inhalts enthalten sind (z.B. ein beschreibender Alternativtext)
Informationspflichten
- 14 BFSG i.V.m. Anlage 3 verpflichtet Onlinehändler zudem dazu, in ihren AGB (oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise, wie etwa in einem Link im Footer) mitzuteilen, wie sie jeweils die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen. Die entsprechenden Informationen umfassen eine Beschreibung der geltenden Anforderungen und decken, soweit für die Bewertung von Belang, die Gestaltung und die Durchführung der Dienstleistung ab.
Shopbetreiber müssen zudem künftig mitteilen:
- eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format;
- Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlich sind;
- eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die einschlägigen in der nach 3 Absatz 2zu erlassenden Rechtsverordnung aufgeführten Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt;
- die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
Auch diese Informationen müssen barrierefrei dargestellt werden, wie schon weiter oben im Einzelnen dargestellt.
Bei Missachtung der Vorgaben sieht das BSFG ein Bußgeld bis zu 100.000 € vor. Außerdem könnten Verstöße gegen die Vorschriftendes BSFG auch als Verstoß gegen das UWG gewertet werden und somit wettbewerbsrechtliche Abmahnungen mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen nach sich ziehen.
Umsetzung
An der bisherigen Darstellung ist erkennbar, dass das Gesetz und die Richtlinie zwar reichliche Vorgaben enthalten, jedoch fehlt es an konkreten Ausführungen zu den unbestimmten Begriffen, die hier verwendet werden. Die Anwendbarkeit auf die Praxis erscheint derzeit wie ein Fass ohne Boden.
Offizielle Leitlinien zur konkreten Umsetzung für verpflichtete Webseitenbetreiber sind derzeit nicht vorhanden, so dass zunächst eine Orientierung an anderen Quellen hilfreich sein kann. Immerhin sind die Vorgaben derart umfangreich, dass Shopbetreiber bereits jetzt damit beginnen sollten, diese in ihre Shops zu implementieren.
Derzeit können auf der Webseite www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de bereits Leitlinien des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abgerufen werden (https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/SharedDocs/Downloads/DE/Externe-Veroeffentlichungen/bmas-leitlinien-bfsg.html?nn=cd42a4e2-380f-456e-8b8f-2dd14aff8c7a)
Auf der Webseite Contrastchecker.com kann der Kontrast der Webseite überprüft werden, wenn man dort seine Farben eingibt (https://contrastchecker.com).
Auch die Web Accessibility Evaluation Tools von Wave (https://wave.webaim.org ) sowie die internationalen Standards „Web Content Accessibility Guidelines“ auf der Webseite des World Wide Web Consortium (W3C) (https://www.w3.org/Translations/WCAG20-de/ und https://www.w3.org/WAI/videos/standards-and-benefits/de) bieten eine Reihe von Anhaltspunkten für die konkrete Umsetzung.
Im Grundsatz ist darauf zu achten, dass:
- Elemente wie Kontaktformulare etc. leicht verständlich beschriftet und erklärt sind
- Video- oder Tonelemente untertitelt sind
- Die Textgröße änderbar ist
- Die Seite auch nur mit der Tastatur und ohne Maus bedienbar ist
- Aussagekräftige Überschriften bestehen
- Multimediale Inhalte pausierbar, beendbar und ausblendbar sind
- Zeilenabstände und Zeichenabstände anpassbar sind, ohne dass der Inhalt sich ändert
- Interaktive Elemente wie Menüs oder Buttons durch assistive Technologien auslesbar sind
Wir empfehlen daher, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen, da nicht nur Ihre Rechtstexte angepasst werden müssen, sondern es hier teilweise tiefgreifender Änderungen in Webseiten bedarf, deren Umsetzung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen dürfte.
Übrigens: auch nicht Verpflichtete sind selbstverständlich berechtigt, ihre Webseite auch barrierefrei zu gestalten.