EuGH C-559/20 Schlussanträge des Generalanwalt vom 11.11.2021
Der Generalanwalt beschäftigte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Saarbrücken. Dort ist ein Rechtsstreit zwischen einem Rechtsinhaber (Koch Media GmbH) und einem Internetnutzer anhängig, der ein Computerspiel auf einer Filesharing-Plattform für andere zum Download angeboten hatte. Die Koch Media GmbH vertreibt das Spiel und beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei den Nutzer abzumahnen. Dadurch entstanden dem Rechteinhaber Anwaltskosten in Höhe von 984,60 Euro, die sie von dem Abgemahnten erstattet bekommen möchte. Bei der Berechnung dieser Kosten wurde ein Gegenstandswert von 20.000 € zugrunde gelegt.
In dem Rechtsstreit über die erstattungsfähigen Anwaltskosten sprach zunächst das Amtsgericht der Klägerin Kostenersatz i.H.v. nur 124 € zu. Dieser Berechnung wurde ein gedeckelter Gegenstandswert von 1.000 € zugrunde gelegt. Nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG wird der Gegenstandswert auf 1.000 € begrenzt, wenn der Abgemahnte eine natürliche Person ist, die die geschützten Werke oder anderen Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist. Die Deckelung kann im Einzelfall entfallen, wenn ein Streitwert von 1.000 € nach den Umständen “unbillig” wäre.
Das im Berufungsverfahren mit der Sache befasste Landgericht Saarbrücken möchte im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens vom EuGH wissen, ob die streitige Deckelung mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Laut EuGH-Generalanwalt verstößt das nicht gegen EU-Recht.
Der EuGH-Generalanwalt stellte zunächst fest, dass Anwaltskosten wie die streitgegenständlichen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums fallen. Deren Art. 14 sieht vor, dass die Prozesskosten in der Regel von der unterlegenen Partei getragen werden müssen, sofern Billigkeitsgründe nicht entgegenstehen.
Die deutsche Streitwertdeckelung sei auch mit dem Wortlaut von Artikel 14 vereinbar, so der Generalanwalt. Zwar wäre eine pauschale Deckelung des Streitwerts ohne Ausnahmen nicht möglich, doch tatsächlich sieht die deutsche Vorschrift vor, dass der Streitwert nicht gedeckelt werden soll, wenn „der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.“
Nach Ansicht des Generalanwalts gebe die Bestimmung des § 97a UrhG den nationalen Gerichten genügend Freiraum für eine Beurteilung nach Gesichtspunkten der Billigkeit.
Sollte der EuGH im Sinne des Generalanwalts entscheiden, werden deutsche Gerichte zukünftig verstärkt darauf achten müssen, ob im Einzelfall eine Situation vorliegt, in der die Streitwertdeckelung unbillig ist.