Der Beklagte betreibt eine Pizzeria, die über einen Lieferdienst verfügt. Der Großteil der verkauften Speisen wird über diesen Lieferdienst zu den Kunden gebracht; ein Teil der Kundschaft kommt selbst in das Geschäft, um die Waren dort abzuholen. Darüber hinaus verfügte die Pizzeria über einen Gastraum mit ca. 5 Tischen. In diesem Gastraum war an der Wand ein Fernseher angebracht und angeschlossen.
Die Klägerin nahm den Beklagten anlässlich einer – vermeintlich – öffentlichen Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Musikwerke auf Schadensersatz in Anspruch. Vorausgegangen waren drei Besuche eines Außendienstmitarbeiters der Klägerin in der vom Beklagten betriebenen Pizzeria. Dabei sei jeweils ein Fernseher mit angestelltem Ton gelaufen.
Der Beklagte verteidigte sich damit, der Fernseher habe lediglich der Unterhaltung der Mitarbeiter der Pizzeria sowie zeitweise – nach deren Heimkehr von der Schule – seiner Kinder gedient. Bei den Besuchen des Außendienstmitarbeiters seien keine Kunden anwesend gewesen. Am 18.11.2018 habe man den Geburtstag seines Sohnes gefeiert. Darüber hinaus sei der Fernseher in Anwesenheit von Kunden, die wegen des überwiegenden Charakters des Betriebes als Lieferdienst ohnehin selten sei, stets abgeschaltet worden. Die Angestellten seien auch angewiesen gewesen, den Fernseher tatsächlich nur dann laufen zu lassen, wenn tatsächlich keine Kunden im Geschäft anwesend gewesen seien.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Insbesondere hat der Beklagte nicht öffentlich Musikstücke wiedergegeben, an denen der Klägerin Nutzungsrechte zustehen bzw. an denen sie solche Rechte wahrnimmt.
Wann eine “Mehrzahl” im Sinne dieser Vorschrift erreicht ist, ist gesetzlich nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss sich die Musikwiedergabe an “recht viele Personen” oder “ziemlich viele Personen” richten (EuGH, Urteil vom 13.2.2014, Az.: C-466/12; Urteil vom 7.8.2018, Az.: C-161/17), bei denen es sich nicht um einen abgegrenzten Kreis von untereinander persönlich verbundenen Personen handeln darf.
Damit scheidet der abgegrenzte Kreis der Familienangehörigen des Beklagten sowie der Mitarbeiter der Pizzeria als “Öffentlichkeit” aus; als Adressaten einer öffentlichen Musikwiedergabe kommen allenfalls die Kunden der Pizzeria in Betracht.
Insofern fehlt es jedoch an der ausreichenden Zahl. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die erforderliche “Mehrzahl” von Musikadressaten nicht gleichzeitig beschallt werden muss, sondern auch sukzessive – wie etwa dann, wenn über den Tag verteilt wechselnde Kundschaft ein Geschäft betritt – erreicht werden kann (Wandtke/Bullinger, a.a.O. Rn. 31). Auch die sukzessive Öffentlichkeit muss aber die nach der Rechtsprechung des EuGH erforderliche relevante Anzahl erreichen.
Dies ist im Betrieb des Beklagten nicht der Fall. Vorliegend betreibe der Beklagte in erster Linie einen Lieferdienst, bei dem die Kunden telefonisch orderten und das Geschäft überwiegend nicht betreten würden. Die Anzahl der Selbstabholer beschränke sich auf circa 10 Personen pro Tag.
Darüber hinaus setzt nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der öffentlichen Wiedergabe voraus, dass sich der Nutzer gezielt an das Publikum wendet, für das die Wiedergabe vorgenommen wird, und dass das Publikum in der einen oder anderen Weise für die Wiedergabe der Aufnahme bereit ist und nicht bloß zufällig erreicht wird; daran soll es etwa bei der Wiedergabe von Musik im Wartezimmer eines Zahnarztes fehlen (EuGH GRUR 2021, 593). Es ist nicht einsichtig, warum das Publikum, das auf eine Zahnbehandlung wartet, insofern grundsätzlich anders zu bewerten sein soll als die Kundschaft, die auf Pizza wartet. Die jeweilige Vorfreude mag unterschiedlich ausgeprägt sein; im einen wie im anderen Fall werden die Wartenden aber ohne ihr Wollen und ohne Rücksicht auf ihre Aufnahmebereitschaft sozusagen zwangsläufig von der Hintergrundmusik erreicht.
Das Amtsgericht hat daher die Klage abgewiesen.