Fast jeder Onlinehändler hat schon unangenehme Erfahrungen mit einer Abmahnung gemacht. Es entstehen Kosten und es stehen Unterlassungsansprüche im Raum.
Ein großes Problem stellen Abmahnungen dar, die rechtsmissbräuchlich sind. Seit geraumer Zeit wurde nun an einer gesetzlichen Regelung gearbeitet, um solchen rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen Einhalt zu gebieten und diese zu regulieren. Am 09.10.2020 hat nun der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs den Bundesrat passiert. Erwartungsgemäß wird das Gesetz in den kommenden Wochen auch in Kraft treten. Das Gesetz enthält laut Pressmitteilung des BMJV ein umfassendes Paket an Maßnahmen, das zu einer erheblichen Eindämmung des Abmahnmissbrauchs führen wird und damit insbesondere Selbständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen solcher Abmahnungen schützen wird. Das Gesetz ergänzt darüber hinaus das Designgesetz um eine sogenannte Reparaturklausel, die den Markt für sichtbare Ersatzteile für den Wettbewerb öffnet.
Wir fassen für Sie die wichtigsten Punkte der Neuregelung zusammen.
Zunächst ist deutlich zu machen, dass Abmahnungen mit diesem Gesetz nicht abgeschafft werden. Onlinehändler müssen sich also nach wie vor an bestehende Gesetze halten, da sie sonst Gefahr laufen eine kostenpflichtige Abmahnung zu bekommen!
Vor allem ist auch zu beachten, dass sehr viele Abmahnungen aus Bereichen kommen, die diesem Gesetz ohnehin nicht unterliegen, wie etwa das Markenrecht, Urheberrecht oder aber auch Bewertungen etc. Daher dürfen Abmahnungen auch weiterhin auf keinen Fall ignoriert werden, da sonst kostspielige Gerichtsverfahren drohen.
Was ändert sich denn nun?
Fliegender Gerichtsstand
Eine wichtige Änderung betrifft den sog. „fliegenden Gerichtsstand“. Bisher galt grob: Wettbewerbsverstöße, die im Internet begangen wurden, konnten am Gericht der Wahl anhängig gemacht werden, da Ort der Handlung „das Internet“ war. In Zukunft soll es den fliegenden Gerichtsstand aus Klagen aufgrund von Verstößen gegen das UWG nicht mehr geben. Diese sollen nun am Gericht anhängig gemacht werden, in dessen Bezirk der Beklagte sitzt.
Das kann dazu führen, dass viele Gerichte sich mit Themen befassen werden müssen, mit denen sie bisher keine große Erfahrung haben, so dass erstmal noch mehr Rechtsunsicherheit bestehen wird, als ohnehin schon. Außerdem, und das wird sicherlich das Ziel der Regelung sein, erschwert es dem Abmahner die Geltendmachung seiner Rechte.
Rechtsmissbrauch
Bisher war es äußerst schwierig, Rechtsmissbrauch bei Abmahnungen nachzuweisen. Die Gerichte haben Rechtsmissbrauch nur in sehr seltenen Fällen angenommen. Künftig soll es sich Zugunsten des Abgemahnten auswirken, wenn beispielsweise eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe gefordert oder vereinbart wird oder der angesetzte Gegenstandswert in der Abmahnung unangemessen hoch ist. Dieses soll dann als Indiz für Rechtsmissbrauch gelten.
Im Falle einer rechtsmissbräuchlichen Abmahnung kann dann der Abgemahnte Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen.
Gegenansprüche des zu Unrecht Abgemahnten
Eine weitere Änderung führt Gegenansprüche von zu Unrecht Abgemahnten ein. Zwar werden die Gegenansprüche in der Höhe begrenzt sein, doch nunmehr werden zu Unrecht Abgemahnte die kosten ihrer Vertretung beim Abmahner geltend machen können.
Zu Unrecht abgemahnt kann auch werden, wenn geltende Vorgaben zum Inhalt einer Abmahnung nicht eingehalten werden, die nunmehr auch gesetzlich festgelegt sind. So muss eine zukünftige Abmahnung beispielsweise Informationen darüber enthalten, welches ganz konkrete Verhalten dem Abgemahnten vorgeworfen wird und warum dieses Verhalten zu einer Rechtsverletzung führt.
Deckelung der Kosten und Vertragsstrafen
Bei Mitbewerbern werden in bestimmten Fällen die Kosten gedeckelt. Betroffen davon sind die Vertragsstrafe und auch die Abmahnkosten.
Der Abmahner hat teilweise keinen Anspruch mehr auf Ersatz der Abmahnkosten. Bei zu Unrecht ausgesprochenen oder rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen ist ohnehin kein Ersatz der Kosten der Abmahnung vorgesehen. Der Abmahner kann aber auch dann nicht den Ersatz seiner Kosten verlangen, wenn es um Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien geht. Ebenso sind Abmahnungen bei Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung oder das Bundesdatenschutzgesetz durch Unternehmen sowie gewerblich tätige Vereine, sofern sie in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen, nicht mehr ersatzfähig.
Bei der Bemessung der Vertragsstrafe gelten nun auch festgelegte Bemessungskriterien, wie etwa Art, Ausmaß und Folgen der Zuwiderhandlung, oder Schuldhaftigkeit der Zuwiderhandlung und bei schuldhafter Zuwiderhandlung die Schwere des Verschuldens.
Es wird ferner eine Deckelung von Vertragstrafen für einfache Verstöße normiert. Wenn die Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße beeinträchtigt, dürfen Vertragsstrafen nicht mehr als 1.000,00 € betragen.
Wirtschaftsverbände
Wirtschaftsverbände müssen sich in einer offiziellen Liste eintragen lassen, um als aktiv anspruchsberechtigt zu gelten. Dazu müssen sie, ähnlich wie schon heute die Verbraucherschutzverbände, bestimmte Voraussetzungen erfüllen.
Es bleibt abzuwarten, ob durch diese Gesetzesänderung wirklich der gewünschte Zweck erreicht werden kann. Die Gerichte werden künftig sicherlich viel Beschäftigung in der Auslegung der in den Gesetzesänderungen enthaltenen unzähligen unbestimmten Rechtsbegriffe finden. Was ist eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe? Was sind einfache Verstöße? Oder wann ist ein Gegenstandswert überhöht?
Hier werden wieder nur die Einzelfallurteile weitere Rechts(un)sicherheit schaffen können und bis dahin ist es noch ein langer Weg.
In jedem Fall sind Abmahnungen weiterhin ernst zu nehmen und dürfen auf keinen Fall ignoriert werden.