Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 21. Juli 2025 (Az. 16 U 118/24) macht deutlich: Ein Versicherungsnehmer kann den Versicherer arglistig täuschen, wenn er im Antrag falsche Angaben macht – auch dann, wenn er die Unrichtigkeit seiner Angaben eigentlich nicht bezweckt.
Worum es ging Ein Antragsteller beantragte 2017 eine Berufsunfähigkeitsversicherung. In den Gesundheitsfragen nannte er überwiegend Allgemeines wie eine Mandeloperation und eine Muskelverhärtung, verschwiegen wurden dagegen eine Bandscheibenoperation mit anschließender Entzündung, ein zweimonatiger Krankenhausaufenthalt und eine mehrmonatige Antibiotikatherapie. Der Versicherer akzeptierte den Antrag zunächst unverändert. Nach Eintritt der Berufsunfähigkeit wehrte sich der Versicherer gegen die Leistungen und focht den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an.
Vorinstanzen Das Landgericht sah die Falschangaben zwar als objektiv gegeben an, akzeptierte jedoch eine gutgläubige Verschweigung als plausibel. Das OLG Schleswig hat demgegenüber die Anfechtung durch den Versicherer als wirksam bestätigt.
Begründung des Gerichts
- Arglist erfordert mehr als nur vorsätzliche Fehlinformation. Es muss zusätzlich darauf abgezielt sein, die Entscheidung des Versicherers zu beeinflussen.
- Arglist liegt auch vor, wenn der Antragsteller objektiv falsche Angaben „ins Blaue hinein“ macht, ohne deren Richtigkeit zu überprüfen.
- Der Kläger habe bewusst irrelevante Angaben (z. B. Muskelverhärtung, Mandeloperation) gemacht und gravierende Tatsachen verschwiegen. Das widerspiegelt ein klares Indiz für Täuschungsabsicht.
Praxisfolgen
- Für Versicherte bedeutet das Urteil: Man darf Antragsfragen nicht schätzen oder vermuten – selbst gutgläubiges Handeln kann Arglist bedeuten, wenn die Angaben auf Tatsachengrundlagen fehlen.
- Für Versicherer bedeutet es eine Stärkung der Anfechtung: Ungenaue oder unvollständige Anträge können leichter als arglistige Täuschung gewertet werden.
- Beweiserleichterung: Die Versicherer müssen nicht zwingend eine ausdrückliche Täuschungsabsicht nachweisen; objektiv falsche Antworten reichen aus.
- Prävention im Antragsverfahren: Klare Hinweise, dass unklare Angaben belegbar sein müssen, sind sinnvoll. Andernfalls können solche Angaben als Falschangaben gewertet werden.
Fazit Das OLG Schleswig verdeutlicht: Wer Anträge ungenau oder ohne belastbare Tatsachen beantwortet, kann arglistig handeln. Danach können Versicherungsunternehmen Verträge auch nachträglich wirksam anfechten. Für Versicherungsnehmer heißt das: Leichtfertige oder spekulative Antworten können zum Verlust des Versicherungsschutzes führen.